Das neue Jahr begrüßen, mit dem alten abschließen und ein kleiner Moment des Innehaltens. Dazu einige Gedanken, die ich gerne mit Euch teile.
Eigentlich wollte ich diesen Post gar nicht schreiben. Ein schnöder Jahresrückblick schien mir in Anbetracht der aktuellen Situation, sowohl meiner eigenen aber auch der globalen Lage, irgendwie trivial. Es gäbe so vieles zu sagen, macht aber gleichzeitig auch sprachlos. Mich zumindest.
Und trotzdem drehen sich seit einigen Tagen Worte und Sätze in meinem Kopf- und bevor ich voll ins Blogjahr 2020 einsteige, merke ich, dass ich für mich selber doch noch eine Art Abschluß brauche.
Der plötzliche Tod meiner Mutter hat nämlich noch einmal viele Dinge relativiert und in ein anderes Licht gerückt. Und dann bin ich über einen Post gestolpert, den ich anlässlich meines 50. Geburtstages im Mai angefangen, aber dann doch nie fertiggeschrieben geschweige veröffentlicht habe. Und plötzlich machte alles Sinn, es schien wie ein Kreis, der sich jetzt am Jahresende geschlossen hat.
Et voila! Ein bisschen Gedankensalat zum Jahresanfang und ein sehr persönlicher Post, weit außerhalb meiner Komfortzone:
Ich bin überhaupt kein Zahlenmensch. Deswegen finde ich auch runde Geburtstage eher banal, und habe auch meinem 50. Geburtsatg eigentlich keine sonderlich große Bedeutung beigemessen. Eine Zahl wie jede andere auch und ich fand’s eher anstrengend, dass einem diese krasse Gewichtung permanent von ausserhalb angetragen wurde.
Aber – so ganz tief in mir drin, hat doch irgendetwas gearbeitet. Was aber nicht unbedingt mit dem konkreten Alter zu tun hatte, sondern mit dem, was sich in meiner/unserer aktuellen Lebensphase so abspielt. Das ist mir aber jetzt erst rückblickend so richtig klar geworden.
Bisher war alles immer easy: Volljährig werden, auf eigenen Beinen stehen, Studium, Beruf, Kinder kriegen & Kinder großziehen: alles ging seinen vorgeschriebenen Gang (ok, vielleicht mit ein paar kleinen Abzweigungen hier und da), aber die grobe Linie war immer da.
Dann kommt eine ziemlich große Zäsur – und das worauf man ja irgendwie hinarbeitet, kommt dann doch sehr plötzlich: die Kinder werden groß und damit flügge.
Mit Stolz, aber auch einer großen Portion Wehmut im Mutterherzen entlässt man sie in ihr eigenes Leben.
Und dann taucht sie das erste Mal auf, die große, elementare Frage:
Was kommt jetzt?
Muss ich mich nochmal neu erfinden?
Oder darf vielleicht auch alles bleiben, wie es ist?
Weil’s einfach gut ist?
Ok, ich weiß. First-World-Problems. Nix wirklich Existentielles, schon gar nicht wenn man sich die globale Situation immer wieder vor Augen führt. Weit weg von Kriegen, größeren Naturkatastrophen und in relativer sozialer Sicherheit leben wir hier doch ein sehr privilegiertes Leben und ich möchte auf gar keinen Fall tauschen. Aber trotzdem: ein bisschen Hadern, ein bisschen Zweifeln bleibt.
Und dass ist vielleicht auch gut so: denn es bedeutet ja auch, den Umbruch zu erkennen. Die Situation anzunehmen, wie sie ist, zu lernen, mit Abschieden umzugehen und trotzdem immer wieder neu anzufangen und (s)eine Haltung zu finden. Gegenüber dem eigenen Leben, dem Älterwerden aber auch allen anderen Problemen gegenüber, denen wir uns in der heutigen Zeit stellen müssen.
Nebenbei passiert nämlich noch etwas ganz anderes. Egal, wie groß die eigenen Kinder sind, wie selbständig oder wie weit weg – man bleibt trotzdem Eltern, sein Leben lang und mit allem, was dazugehört. Sorgen, Nöten, Glück, Stolz und und einem Herz voller Liebe.
Genauso bleibt man aber auch sein Leben lang Kind – zumindest solange die eigenen Eltern am Leben sind.
Nur verändert sich hier das Rollenverhältnis plötzlich ganz immens: waren die Eltern auch im Zuge des eigenen Erwachsenwerdens immer für Einen da und haben sich aufopferungsvoll um Enkelkinder, Haustiere, Rosenhecken und den Butterkuchen zu jedem Familienfest gekümmert, ist man selber plötzlich gefragt. Übernimmt Verantwortung, trifft Entscheidungen und kümmert sich um Dinge wie Pflegedienste, Vorsorgevollmachten, etc. und steht dabei permanent vor der Frage, inwieweit ein Eingreifen angebracht, notwendig oder vielleicht gar nicht erwünscht ist. Keine leichte Situation, die zumindest mich im Laufe des letzten Jahres öfter an meine Grenzen gebracht hat, als ich mir zunächst eingestehen wollte.
Dass man mit diesen Gedanken aber auch nicht alleine steht, merkt man, wenn man mit Freunden zusammen sitzt: da, wo es früher um Alltagsgeplänkel wie Urlaube, Kinder, Klatsch, Tratsch oder die neueste Kneipe ging, drehen sich unsere Gespräche heute immer häufiger auch darum, wie man im Alter wohnen möchte, um Begriffe wie Patientenverfügung und dem Organisieren des eigenen Alterns.
Auch Krankheit und Tod sind plötzlich Begriffe, mit denen man sich immer häufiger konfrontiert sieht. Der Spruch „die Einschläge kommen dichter“ ist nicht mehr einfach nur leere Hülse, sondern man muss sich tatsächlich ernsthaft damit auseinandersetzen.
Das macht auf der einen Seite zwar eine Sch…Angst, führt zumindest bei mir auch zu einer ganz neuen Achtsamkeit. Bewusst zu leben, auch oder vor allem kleine Momente schätzen zu lernen, zu geniessen und dankbar zu sein für das Leben, was wir führen dürfen, steht auf meiner persönlichen Agenda für die nächsten 50 zumindest sehr weit oben!
Herzlich willkommen also in der Mitte des Lebens. Herzlich willkommen in MEINEM Leben.
Ildiko von Kürthy hat in einem Interview neulich den legendären Satz von sich gegeben: „Aus Zweifel entsteht Entwicklung“ –
und das macht doch auch ein bisschen Mut, wie ich finde und ich freue mich tatsächlich auf diese neue Lebensphase.
Mit all ihren Verantwortungen, Zweifeln, aber auch all ihren Möglichkeiten. Alles kann, nichts muss.
Und mit dem Gefühl, vielleicht jetzt endlich so wirklich erwachsen zu sein.
„50 ist das neue 20!“ – das hat mir eine Freundin zum Geburtstag geschrieben.
In diesem Sinne: auf in ein neues Jahrzehnt, und das für mich und alle 69’er gleich in doppelter Hinsicht.
Mögen die 2oer golden werden!
Amen.
Beim nächsten Mal gibt’s wieder etwas leichtere Kost, versprochen.
Aber ein klein bisschen bin ich gespannt, ob’s vielleicht anderen ähnlich ergeht. Also gebt gerne mal Laut, wenn auch Ihr manchmal ein klitzekleines bisschen hadert mit dem Älterwerden und dem, was es so mit sich bringt. Ich bin gespannt.
Eure Britta
Isabel meint
Liebe Britta, ein schöner Post! Bei mir steht 2021 der 50. an, macht mir bisher zumindest nicht zu schaffen. Das Gefühl, dass die Kinder flügge werden finde ich aktuell schwieriger.
Mal schauen wohin sich diese Jahr entwickelt, plane erstmal auch dankbarer und achtsamer zu sein mit mir selbst und anderen.
Liebe Grüsse Isabel
Britta meint
Liebe Isabel, damit hast Du doch aber auch scbon einen großen Schritt gemacht. Leben bedeutet ja nun mal auch Veränderung, ob’s einem nun immer so gefällt oder nicht, daher ist es ganz entscheidend, mit welcher Einstellung wir sich verändernden Lebenssituationen begegnen. Und die schlichte Tatsache, 50 zu werden ist auch tatsächlich nicht schlimm. Liebe Grüße aus dem Norden, Britta
Iris meint
Die sprichst mir aus der Seele. Zwar bin ich noch nicht 50, aber weit weg ist das nicht mehr. Mein Sohn ist bei weitem noch nicht aus dem Haus, aber daran wie schnell wie die letzten 13 Jahre verflogen sind, lässt sich erahnen, dass der Tag an dem er das Haus verlässt nicht ewig weit entfernt ist.
Meine Mutter ist damals 2 Tage, nachdem ich ihr gesagt habe, dass sie Oma wird gestorben. Das habe ich für mich immer noch nicht verarbeitet. Mein Vater ist also seit 13 Jahren alleine und auch wir haben uns um Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht gekümmert. Nächste Woche schauen wir uns eine Seniorenresidenz an. Dinge, um die ich mich nicht gerne kümmer, die aber plötzlich da sind. Und es scheint im Moment einfach überall zu sein. Ich habe mit der Umkehrung der Rollen zwischen Eltern und Kind Probleme. Fand ich schon damals bei meiner Mutter schwierig.
Aber so lange wir damit nicht alleine sind …..
Britta meint
Ich glaube deswegen war es mir auch so ein Bedürfnis, noch ein paar Worte darüber zu verlieren. Auch als Abschluß für mich selber : Ich finde, dass da nämlich emotional ganz schön viel auf Einen einprasselt, auf das man sich nicht wirklich vorbereiten kann. Zumindest hab‘ ich mir darüber vorher nie Gedanken gemacht, und deswegen ist es mir wahrscheinlich auch so schwer gefallen diese Umkehrung der Rollen so einfach anzunehmen.
Und Du hast Recht, manchmal tröstet der Gedanke, dass man nicht alleine ist!
Liebe Grüße aus Kiel von Britta
Sabine meint
3 Jahre älter… spannend ist diese Lebensphase . Ja, auch manchmal nicht leicht… verabschieden kommt öfter als begrüßen … kenn ich… – Eltern werden alt und die Perspektiven ändern sich hier gravierend, wer für wen sorgt… kenn ich …
Einschläge kommen manchmal sogar sehr sehr dicht… Krebs gehört irgendwie überall dazu …
Aber ich habe seit einiger Zeit beschlossen es so zu nehmen wie es eben ist und für mich die berühmten Inseln zu suchen, die das Leben so schön machen und sei es ein spontaner Besuch der Elbphilharmonie zu einem poetry Slam, für den ich NICHT ZU ALT bin 😉
In diesem Sinne eine gute Phase in 2020
Britta meint
Ja, es kommt auf die Einstellung an. Leben bringt nun mal Veränderung, und die ist halt nicht zwangsweise immer nur schön oder leicht. Aber mit den Inseln hast Du völlig Recht: ich freue mich auf den Sommer und darauf, einfach mal wieder spontan mit dem Bulli unterwegs zu sein: ein Glas Wein irgendwo am Meer, das ist meine (Lieblings-) Insel! Und Älterwerden hat ja auch was Schönes. Zumnindest ich schere mich längst nicht mehr so viel darum, was andere denken, sondern orientiere mich eher daran, was gut für mich ist! In diesem Sinne: happy 50’s und wir rocken das schon! glg von Der Förde, Britta
Katrin / soulsister meets friends meint
liebe Britta,
weißt du, genau das schätze ich am Älterwerden: die neue Sicht auf die Dinge. Manchmal verbunden mit einem ganz einfachen „ich bin zu alt für diesen Scheiß!“ Und das meine ich positiv … man sortiert sich selbst und sein Umfeld besser. Geht – genauso wie du sagt – achtsamer damit um.
Dass wir geliebte Menschen gehen lassen müssen gehört leider auch dazu. Und Trauer braucht Raum … so ist das eben. Irgendwann weicht der Schmerz schönen Erinnerungen und man merkt, dass man die Liebe seiner Eltern immer in sich trägt. Klingt jetzt echt kitschig … aber ich fühle mich meinem Papa oft sehr nahe. Und er ist schon vor einigen Jahren gestorben.
Ich mag‘ das wertvolle Leben in der Mitte, auch wenn es einen manchmal ganz schön aus der Bahn haut.
Sei umarmt aus der Ferne
Katrin / soulsister meets friends
Britta meint
Liebe Katrin, vielen Dank für deine lieben Worte. Und ja, ich glaub‘ ich mag’s auch, das neue Leben in der Mitte. Es birgt ja auch nochmal eine ganze Reihe Möglichkeiten, sich auszuprobieren, herauszufinden, was einem im Leben wirklich wichtig ist und tatsächlich auch hinter sich zu lassen, was nicht guttut. Aber wir ruckeln und das schon zurecht, oder? Dicken Drücker aus dem hohen Norde von Britta
Claudia meint
Wunderbar zusammengefasst!
Und es kann nie schaden jeden Tag bewusst zu leben. Meine Mam starb ja schon vor langer Zeit, als ich gerade 21 war, völlig überraschend. Damals wurde ich in eine Rolle hineinkatapultiert, aus der ich nie wieder rauskam und die ich nur mit einer gehörigen Portion Eigensinn überstand. Seitdem auch meine Oma nicht mehr lebt fühle ich mich manchmal komisch, gehöre ich doch plötzlich zu den Älteren… jetzt liegt es an uns die Fäden zusammen zu halten. Aber das kriegen wir schon hin. Mit unserer eigenen unnachahmlichen Art!
Kram Claudia
Britta meint
Da bin ich mir auch ganz sicher, aber dieser Rollenwechsel hat mich anfänglich echt sehr irritiert. Und ich brauchte auch echt etwas um mich zurechtzufinden… bis ganz bald, liebe Grüße von Britta
elke | elkeworks.de meint
Hallo Britta,
auf den Punkt gebracht und ins schwarze getroffen.
Mit Patientenverfügungen und Co…. habe ich nichts zu tun. Aber aus einem traurigen Grund heraus. Meine Mutter starb mit 41 und mein Vater hatte nach dem Tod seiner zweiten Frau, einen dicken Vertrag mit allem drum und dran vom Rechtsanwalt/Notar aufsetzen lassen, der auch amtlich hinterlegt war. Ich sage Dir. Beim durchlesen wurde mir schwindelig. Da lag sehr viel Verantwortung über das Leben meines Vaters drin. Er hat mir sozusagen sein Leben anvertraut. Das war ein ganz schöner Balast und als die Situation da war. Diesen Vertrag umzusetzen. Ich habe nur geheult…. 50! Wir sind weggefahren. Ich wollte keine große Sause. Mit 40 bin dem dem Tod von der Schüppe gesprungen, danach wurde groß gefeiert. Mit 50 wollte ich nur genießen.
So und jetzt ist schluss 🙂
Danke …
Liebe Grüße
Elke
Britta meint
Genießen ist überhaupt das Stichwort. Und das Leben feiern, egal welche Zahl grade dran ist… So werde ich es auch halten. Auf uns und das Leben! glg von Britta
Eleonora meint
Du bist mit beiden Elternteilen 50 geworden?? Wow! Ich beneide Dich sooo sehr. Mein geliebter Vater ist nach langer, stoisch ertragener Krebserkrankung verstorben als ich 36 war. Meine Mutter konnte ihn schon lange nicht mehr stützen. Also war ich an der Reihe: Voll berufstätig, nebenbei in medias res Immo-Verwaltung und Lieblingsgerichte kochen. Solange er sie noch essen konnte. Monatelang täglich bis zum Rauswurf am Krankenhausbett gesessen. Meine Mutter und ich waren bei ihm als er starb. Damit ist mein größter Wunsch erfüllt worden.
Britta meint
ohja, das sind Momente, die kann einem auch keiner mehr nehmen, oder? Und trotzdem so traurig, auch wenn der Gedanke manchmal ein bisschen hilft, dass Tod auch Erlösung bedeuten kann… drück‘ Dich unbekannterweise, Britta